Der schmale Rand der Medaille

Hauptsache gut gelacht? Leopold Blum weiß, dass zu der von vielen ersehnten liebe- und humorvollen Beziehung weitaus mehr gehört.

Die (oder er) ist wahrscheinlich der meist gesuchte Mensch in Deutschland: der „liebe- und humorvolle Partner“. Jede zweite Kontaktanzeige bedient sich dieses Textbausteins. Verständlicherweise. Denn mit dem Humor geht es uns oft wie mit der Liebe. Er lässt’s uns warm ums Herz werden und lächeln. Und so wie jeder weiß (oder spürt), was Liebe ist, glaubt auch jeder zu wissen, was mit Humor gemeint ist. Auf einen ganz allgemeinen Nenner gebracht: Hauptsache gut gelacht!

Perfekte Paare lachen nicht

Bei genauerem Hinsehen allerdings hat jeder und jede sowohl von der Liebe als auch vom Humor eine etwas andere Vorstellung. Zum Beispiel reagiert sie oft gar nicht „amused“, wenn er über sie lacht; das ist nicht die Art von Humor, die Frauen von ihren Männern erhoffen. Und wenn sie sich über Männerwitze halb tot lacht, findet er sie deswegen wohl kaum besonders humorvoll. Wer über andere lacht, macht sie klein, auch wenn er das nur deswegen tut, weil er fürchtet, sonst selbst zur Zielscheibe des Spotts zu werden.

Der liebe- und humorvolle Partner, der in Kontaktanzeigen gemeint ist, ist wohl eher ein Mensch, der sich selbst und andere anlacht statt auslacht, ein Mensch, der andere durch seinen Humor nicht verletzt. Einer oder eine, der oder die stattdessen über sich selbst und die eigenen Schwächen lachen kann und seine Partnerin bzw. ihren Partner dadurch einlädt, genauso über die eigenen Schattenseiten zu lachen. Dann werden die beiden gemeinsam viel zu lachen haben.

Der augenzwinkernde Umgang mit sich selbst und miteinander zeigt dem Partner zugleich: Ich gestehe dir und uns beiden zu, nicht perfekt zu sein. In „perfekten“ Beziehungen dagegen gibt es nichts zu lachen; es gibt ja keinen Anlass dazu, keine kleinen Fehler, über die Mann und Frau sich belustigen könnten. „Perfekten“ Paaren bleibt daher nur, verächtlich über andere zu lachen – aber das hat ja wenig mit Humor zu tun. Ein Glück deshalb, dass es keine „perfekten“ Paare gibt. In und an jeder Beziehung können die Beteiligten etwas Lustiges entdecken, wenn sie nur wollen und, eben, den nötigen Humor haben.

Einen humorvollen Partner erkenne ich also nicht daran, wie oft und laut er (oder sie) lacht. Sondern daran, dass er in der Lage ist, sich selbst und seine Beziehung aus einer heiteren Perspektive zu betrachten. Mit wohlwollendem Abstand zu sich selbst kann er Dingen, die ihn ärgern und ihm vielleicht sogar wehtun, eine andere Sichtweise abgewinnen. Dadurch kommt oft auch etwas Neues in den Blick, das die Beziehung weiterbringt; als Folge der Einsicht aus der Draufsicht kann Humor manchmal sogar den Anstoß zur Umkehr aus einer Sackgasse geben.

Auf Abstand zu sich selbst

Humor wirkt also integrierend. Er hilft mir selbst, über meine eigenen Schwächen zu lachen, mich mit den Seiten an mir zu versöhnen, die „normalerweise“ kein Mensch an sich mag. Und er hilft mir, genauso versöhnlich mit den „Macken“ meines Partners umzugehen. Wenn alles im Leben mindestens zwei Seiten hat, eine gute und eine schlechte, dann ist der Humor der Rand der Medaille, die Kopf und Zahl, Oben und Unten, das Positive und Negative im Leben miteinander verbindet. Drei Fähigkeiten zeichnen also einen Partner aus:

1.         Er schafft es, auf Distanz zu sich selbst zu gehen ...
2.         ... und über sich selbst zu lachen.
3.         Er kann Gegensätze miteinander versöhnen.

Gleich und gleich gesellt sich gern: Frauen und Männer, die sich einen liebe- und humorvollen Partner wünschen, bieten sich damit zugleich selbst als ebenso humor- und liebevollen Partner an. (Es sei denn, er sucht in Wahrheit keinen Partner, sondern einen Therapeuten.)

Worüber lachen Mars und Venus?

Um richtig miteinander lachen zu können, müssen sie jemanden finden, der oder die dieselben Sachen lustig findet wie sie selbst. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn

•          erstens hat jeder Mensch seinen eigenen, anderen Humor. In einem ihrer Gedichte führt Astrid Tümpel alle möglichen Unarten ihres Partners auf, die sie seit langem stören, und schließt dann mit der Zeile: „Wie soll ich da sagen, ich liebte dich nicht!“ Derart subtiler Humor ist nicht jedermanns Sache. So erlebte eine Frau, die ihrem Mann zum 30. Hochzeitstag ein ähnliches Liebesgedicht mit der Überschrift „Leidenserklärung“ widmete, eine böse Überraschung. Trotz ihrer Erklärung „Ich mag dich leiden!“ in der letzten Zeile reagierte er stinksauer und beleidigt. Die gemeinte Liebeserklärung kam als Kriegserklärung an.

•          zweitens lachen Männer anders und über anderes als Frauen. „Frauen und Männer können sich einfach nicht verstehen“, behauptet eine beliebte (wenn auch oft nur halb-ernst gemeinte These); die einen kommen angeblich vom Mars, die anderen von der Venus. Wie könnten sie dann über dasselbe lachen? Sie können höchstens über das jeweils andere Geschlecht lachen – was sie ja auch tun; ganze Kabarettprogramme leben (aus)schließlich davon. Allerdings verstehen die Verfasser von Kontaktanzeigen unter einem liebe- und humorvollen Partner vermutlich mehr als eine Frau oder einen Mann, die bloß auf gleicher Augenhöhe das Geschlecht des anderen verhöhnen …

•          drittens gibt es Menschen, die keinen Humor verstehen wollen. Deren Hauptziel ist es, „vernünftig“ zu leben. „Können wir nicht mal vernünftig darüber reden?“, schlagen sie ihrem Partner vor, wenn er oder sie es mal mit Humor versucht, und meinen damit: „Wann richtest du dich endlich danach, was ich für richtig halte?“ Sie fühlen sich im Recht und kennen nur eine vernünftige Sicht der Welt: die eigene. Alle anderen Meinungen empfinden sie als „unvernünftig“. Es gibt nur eine objektive, wissenschaftlich gesicherte Wahrheit: meine! Kein Zweifel: Die Partner dieser Menschen haben nichts zu lachen.

Fazit: Mit dem Humor verhält es sich ähnlich wie mit der Liebe. Was auf den ersten Blick so leicht und selbstverständlich erscheint, kann im alltäglichen Miteinander schwer fallen. Humor in einer Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass ich mich und meinen Partner ernst nehme, aber nicht zu ernst. Wer die Liebe ernst nimmt, nimmt den Partner leicht; dann profitiert die Liebe und erhält sich ihre spielerische Leichtigkeit. Aber diese Balance müssen Paare erst finden. Vielleicht beten sie ja in Abwandlung eines bekannten Gebetes öfter mal darum:

„Lieber Gott,

gib mir die Heiterkeit, am Partner hinzunehmen, was ich nicht ändern kann,

den Mut, bei mir zu ändern, was ich ändern kann,

und die Weisheit, beides nicht miteinander zu vermengen.“

Leopold Blum